30 Jahre „Die ARCHE“
21.11.2025
In diesen Tagen begeht das christliche Kinder- und Jugendwerk "Die ARCHE", das am 25. November 1995 in Berlin gegründet wurde, sein 30-jähriges Jubiläum. Was einst als kleines Streetworker-Projekt begann, um vernachlässigte Kinder von der Straße zu holen, hat sich zu einer der größten sozialen Organisationen in Deutschland entwickelt. Auch wenn der Kampf gegen die Kinderarmut längst nicht beendet ist, konnten Dank zahlreicher engagierter Menschen die Biografien von tausenden Kindern und Jugendlichen positiv beeinflusst werden, die sich heute oft an diese Unterstützung erinnern und nicht selten etwas zurückgeben möchten.
In den letzten Wochen haben mehrere Tageszeitungen Portraits über mich veröffentlicht und dazu im Vorfeld längere Interviews mit mir geführt. Es waren viele Fragen zur Entstehung der Arche, über meine persönliche Motivation der Gründung, aber auch dazu, wie sich die Situation unserer Kinder in den letzten 30 Jahren verändert hat. Es war nicht nur schön, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen, denn vieles war auch sehr herausfordernd. Noch einmal einzutauchen in meine Kindheit, die geprägt war von emotionaler Kälte, Armut und Gewalt. Aber auch das Schicksal von Familien zu beleuchten, die in dieser Gesellschaft nicht nur einfach durchs Raster gefallen sind, sondern die viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten.
Auf der anderen Seite durfte ich aber auch die Erfolge wiedergeben, von Kindern die mittlerweile selbst als Erzieherinnen und Erzieher in der Arche arbeiten. Von einem afghanischen Jugendlichen, der heute bei der Bundespolizei ist, von einem Mädchen, das ein Stipendium in New York erhalten hat und von vielen weiteren ehemaligen Arche-Kindern, die heute als Erwachsene gesellschaftsfähig und in existenzsichernder Arbeit sind. Erst vor kurzem berichtete ich in einem Vortrag davon, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten drei Jahrzehnten tausende Biografien zum Positiven verändert haben.
Kürzlich rief mich auch ein Mann an, der mit der Arche seine schwierige Kindheit durchlebte. Eine Zeit lang war er sogar im Gefängnis und arbeitet heute in der Baubranche. Mittlerweile hat er eine Frau und ein Kleinkind, aber er vergisst nie, was er bei uns erlebt hat. In unserem Telefonat sagte er mir, dass er täglich überlege, was er der Arche zurückgeben könne, denn das sei ihm ein großes Anliegen. Nicht nur aus Dankbarkeit, sondern viel mehr, weil es hunderttausenden Kindern ähnlich ergeht, wie es ihm erging und diese junge Generation nachhaltige Vertrauenspersonen braucht, die für sie ein starkes Vorbild sind. „Liebe dein Gegenüber, wie dich selbst“, so sagte es Jesus einmal. Und genau diese Liebe ist es, die verbindet, heilt, Vorbilder erwachsen lässt und den Blick für die Notleidenden schärft.
30 Jahre Arche heißt aber auch drei Jahrzehnte Ritt gegen Windmühlen, zahlreiche Niederschläge, Enttäuschungen und manchmal Resignation. Der Erfolg der Arche ist leider auch der Misserfolg von Gesellschaft und Politik, und aus diesem Grund darf dieser Kampf kein Ende finden. Erst wenn jedes Kind gefrühstückt und ohne Hunger im Schulunterricht sitzt und sich konzentrieren kann, ist ein Teilsieg erreicht. Erst wenn Alleinerziehende Perspektive und Würde auch durch existenzsichernde Arbeitsplätze finden, wird Hoffnung in diesen Familien einkehren. Erst wenn Bildung nicht mehr abhängig vom Einkommen der Eltern oder dem Förderverein der Schule ist, dann werden wieder Köpfe heranwachsen, die Wissen und Perspektive teilen. Erst wenn familiengerechter Wohnraum bezahlbar wird, werden nicht nur die Räume, sondern auch die Herzen warm. Erst wenn Integration durch Sprache kombiniert wird, Ghettos abgeschafft werden und ein Zusammenleben der Kulturen gelingt, wird echter Frieden entstehen. Und erst wenn die Kinderarmut besiegt ist und es wirkliche Chancengerechtigkeit gibt, wird die Stimme der Arche zu diesem Thema verstummen und dafür eine Freudenhymne angestimmt werden. Nur: bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Heute feiern wir 30 Jahre Arche als Erfolgsmodell, als Zuhause für Kinder und Familien. Als ein Rettungsboot, das bewiesen hat, dass schnelle und unkomplizierte Hilfe ankommt und dass wir mehr denn je gebraucht werden. Ich liebe alle Kinder und Familien, die zu uns in die Arche kommen, sie gehören zu unserer großen Familie. Und genau diese Liebe und Hingabe brauchen die Menschen, die für sich selbst nur wenig Perspektive sehen.
Vielen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, unterstützen diese Kinder schon so lange, manchen von Ihnen sind gerade erst dazugekommen und der ein oder andere überlegt vielleicht noch, wie sein Beitrag für das Engagement der Arche aussehen könnte. Aber Sie alle machen diese Welt heller und freundlicher. Und dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen!
Pastor Bernd Siggelkow,
Gründer und Leiter der Arche
(Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Nr. 77 der Arche-News)