Der beste Ort der Welt

10.10.2025

Klein fing es einst an. Heute schauen in der Arche Düsseldorf nicht selten „Ehemalige“ vorbei, die inzwischen selbstbewusst im Leben stehen und nicht vergessen haben, welchen Anteil die Arche daran hat. 

Die Arche in Düsseldorf-Wersten begann 2009 ihre Arbeit in kleinen Räumlichkeiten, zog 2012 in das von der Stadt neu gebaute „Haus des Kindes“ um, wuchs beständig und teilt sich das dreistöckige Gebäude mit der ebenfalls 2012 eröffneten Arche KiTa. Täglich wird unsere Arche von vierzig bis fünfzig Grundschulkindern besucht. Außerdem kommen zwei Mal wöchentlich um die fünfzehn Teenager vorbei, die an bestimmten Wochentagen nicht so lange Unterricht haben. 

Täglich von 12 bis 17 Uhr ist die Arche geöffnet. Bei uns gibt es ein warmes Mittagessen mit leckerem Nachtisch, Hilfe bei den Hausaufgaben und bunte Nachmittagsaktionen, um Energie loszuwerden. Der Toberaum sowie der Teenie- bzw. Gamingraum sind die beliebtesten. Wir sind zwar ein kleines Team, doch wir können auf die Unterstützung zahlreicher großartiger Ehrenamtlicher bauen. Sie investieren viel Zeit und Herzblut in die Kinder und einige sind uns schon seit vielen Jahren treu.

Derzeit gibt es einige Siebzehn- und Achtzehnjährige, die ihren Schulabschluss machen oder eine Ausbildung absolvieren. Sie kommen immer noch ab und zu auf einen Kaffee vorbei und schwelgen in Erinnerungen: „Weißt du noch das Sommercamp 2016, das war die beste Zeit meines Lebens.“ Vor einigen Wochen besuchte uns erneut solch ein ehemaliges Arche-Kind. Der junge Mann ist heute 22 Jahre alt, arbeitet als Pflegehelfer und ist glücklich in seinem Job. Wir standen gerade inmitten des Trubels un seres diesjährigen Sommerfestes, als er zu mir sagte: „Weißt du noch, als ich meine Ausbildung damals abbrechen wollte und dich jeden Abend auf dem Arche-Handy angerufen habe? Ich bin so froh, dass ich damals nicht aufgegeben habe und dass ihr mir so geholfen habt.“ Zwischen Musik, Partylärm und inmitten von über 300 Menschen wurde mir plötzlich wieder bewusst, dass unsere Mühen, all die Gedanken und Gespräche wirklich etwas bewegen.

Das sieht man auch an Rahab. Seit knapp drei Jahren besucht uns die Achtzehnjährige, die mit ihren Eltern und Geschwistern seit Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft wohnt. Rahab besucht die 10. Klasse einer Förderschule und ist geistig eingeschränkt. Wir lernten sie 2022 als eine ruhige und schüchterne Person kennen. Sie sprach kein Deutsch und traute sich kaum, den Kopf zu schütteln oder zu nicken, wenn man sie etwas fragte. Sie sprach außerdem sehr undeutlich.

Nicht nur Rahab, auch ihre Geschwister kamen regelmäßig in die Arche. Uns fiel auf, dass sie ihre Schwester oft ausschlossen. „Sie schafft das sowieso nicht“, hieß es. Wenn wir in den Ferien Ausflüge organisierten, meldeten die Eltern nur die Geschwisterkinder an, nie aber Rahab. Ich fuhr deswegen an zwei Tagen abends nach der Arbeit zur Unterkunft der Familie und konnte die Eltern überreden, Rahab mit auf die Ausflüge zu lassen. Ich versprach ihnen, dass sie viel Spaß haben und ich sie nicht aus den Augen lassen würde.

Und so kam es. Nach dem Ausflug in einen Freizeitpark sagte Rahab mit einem breiten Grinsen im Gesicht: „Wow, Kristine, heute war sehr schön.“ Ihre Schulzeugnisse und ihre Aussprache sind besser geworden. Ihre Deutschkenntnisse und ihr Wortschatz haben sich stark erweitert. Rahab ist viel offener und fröhlicher als früher. Wir nehmen sie ernst, spielen und unterhalten uns mit ihr. Sie ist Teil der Arche, hier wird sie gesehen und ist wichtig.

Kinder sollen und wollen erwachsen werden, Herausforderungen meistern und dazulernen. Wir als Arche sind dankbar, ein Zufluchtsort zu sein, an dem dies möglich wird. „Die Arche“, sagte eines unserer Kinder vor kurzem, „ist der beste Ort der Welt.“ 

Kristine Shahinmehr
Standortleitung Arche Düsseldorf

(Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Nr. 76 der Arche-News)

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